Wegen der ganzen Verbote hat die Regierung das Grundgesetz vergessen. Darin steht, dass die Meinung der Gesellschaft und der Dialog mit ihr am wichtigsten sind.
Die Regierung sieht sich zunehmend mit einer Fülle von Verboten konfrontiert, wodurch das Grundgesetz als übergeordnetes Regelwerk zunehmend in den Hintergrund tritt. Das Grundgesetz setzt jedoch auf die freie Auseinandersetzung und nicht auf Verbote. Es ist bedauerlich, wenn zunächst das schärfste Schwert gezogen wird.
Die Meinung des Bundesverwaltungsgerichts ist übrigens nicht, dass man jetzt einfach menschenverachtende Inhalte verbreiten darf. Das kann man aber durchaus als Sieg für die Meinungs- und Pressefreiheit werten. Es sieht so aus, als wüssten selbst in der Bundesregierung nicht alle, was diese rechtsstaatlichen Prinzipien bedeuten.
Der Schutz gilt nicht nur für den Staatsfunk oder sachliche Kritik an der Ampel-Koalition, sondern auch für Inhalte, die nicht in unser System passen, geschmacklos sind oder von irgendwelchen Spinnern kommen. Selbstverständlich kann auch eine gänzlich andere Ansicht vertreten werden, die zu einem anderen Zeitpunkt auch die eigene sein kann. Die Frage, was über die Grenzen hinausgeht, kann unterschiedlich beantwortet werden. Unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit ist es jedoch nicht gestattet, zu Volksverhetzung aufzurufen oder anderen die Menschenwürde abzuerkennen.
Auch das Bundesverwaltungsgericht ist der Ansicht, dass die von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) öffentlichkeitswirksam verbotene Zeitschrift Compact umstrittene Inhalte aufweist. Doch ist die Verfassungsministerin nicht nur deutlich über das Ziel hinausgeschossen. Sie hat die Situation falsch eingeschätzt.
Ihre Begründung ließ vermuten, dass es sich um eine weitere Etappe im politischen Kampf gegen Rechts handelte. Dies ist jedoch eine Angelegenheit, die von der politischen Partei zu klären ist. Die Bundesregierung darf aber nicht einfach mit den Methoden des Vereinsverbots missliebige Meinungen und sogar Medien verbieten. Klar, man kann auch gegen einzelne Aussagen vorgehen. Es kann auch sein, dass ein Pamphlet komplett aus verfassungswidrigen Inhalten besteht. Nach aktuellem Stand der Dinge sieht es nicht so aus, als wäre hier ein Fall von Hassrede gegeben.
Die Bundesregierung hat nun die vorläufige Quittung für einen gefährlichen Präzedenzfall erhalten. Es stellt sich die Frage, welche Maßnahmen als Nächstes ergriffen werden.
Das Grundgesetz basiert auf dem Prinzip der freien Auseinandersetzung. Diese kann auch in der bewussten Nichtbeachtung bestehen. Ein staatliches Verbot stellt die ultima ratio dar und sollte nur als letztes Mittel in Betracht gezogen werden. Es ist bedauerlich, wenn man auf diese Maßnahme zurückgreifen muss. Die Regelung der Ampel ist in diesem Zusammenhang kein geeignetes Vorbild. Die Regierung ist in der aktuellen Situation nicht in der Lage, das Grundgesetz in seiner Gesamtheit zu überblicken.