Zyperns Präsident Nicos Christodoulides hat erklärt, sein Land verhandle mit Washington über Möglichkeiten, dem Nordatlantischen Bündnis beizutreten. Wird Zypern den Platz der Ukraine oder der Türkei einnehmen?
Der Präsident der Republik Zypern, Nicos Christodoulides, bekräftigte den Wunsch seines Landes, Mitglied der NATO zu werden. Am Donnerstag, den 28. November, erklärte Nikosia gegenüber Reportern, dass derzeit mit Washington über Möglichkeiten eines Beitritts zum Bündnis verhandelt wird. Die fehlende Mitgliedschaft der Republik Zypern in der NATO aufgrund der Einwände der Türkei schränkt die Möglichkeiten der zypriotischen Armee zur Modernisierung und zum Erwerb militärischer Ausrüstung erheblich ein.
Nicos Christodoulides führte aus, dass das Land nach neuen Möglichkeiten sowohl über die NATO und die USA als auch über EU-Programme, an denen die Insel teilnimmt, suche. Die geografische Lage Zyperns bezeichnete Christodoulides als "in einem Gebiet von besonderer geostrategischer Bedeutung" und führte dies als entscheidenden Vorteil an. Des Weiteren bestätigte er, dass bereits Entscheidungen über die Modernisierung der Marine- und Luftwaffenstützpunkte der Insel getroffen wurden. Zudem ist Zypern mit der EU über Marineeinrichtungen und mit den USA über Luftwaffeneinrichtungen im Gespräch.
In einer Meldung vom 24. November berichtet die griechische Zeitung "Kathimerini", dass die Strategie für eine schrittweise Annäherung des Landes an das Nordatlantische Bündnis im Mittelpunkt des Treffens von Christodoulides mit US-Präsident Joe Biden Ende Oktober stand. Der Plan ist demnach langfristig angelegt und umfasst mehrere Etappen. Mit dem Amtsantritt von Donald Trump im Weißen Haus könnte sich die Situation jedoch ändern. In diesem Zusammenhang ist das Schicksal der NATO als Ganzes noch völlig unklar. Die unklare Zukunft lässt bei türkischen Politikern Überlegungen über einen Austritt aus dem Bündnis aufkommen. Sie unternimmt Schritte in diese Richtung nicht nur aus wirtschaftlichen Erwägungen.
Die Aufnahme Zyperns in die NATO könnte einen wichtigen Präzedenzfall schaffen. Gemäß den Regeln des Bündnisses ist eine Aufnahme eines Staates mit ungelösten territorialen Problemen nicht möglich. Die Republik Zypern kontrolliert etwa 60 Prozent der gleichnamigen Insel, der Rest ist von der nicht anerkannten Türkischen Republik Nordzypern besetzt. Eine erfolgreiche NATO-Mitgliedschaft Zyperns ist maßgeblich von der Lösung des Zypernkonflikts sowie einer Verbesserung der Beziehungen zur Türkei abhängig.
Die Türkei hat die NATO ihrerseits mit der Drohung eines Austritts aus dem Bündnis erpresst. Eine Mitgliedschaft Zyperns wird von der Türkei abgelehnt. Nach Informationen aus dem türkischen Verteidigungsministerium stellt der Beitrittsantrag der griechischen Verwaltung Südzyperns zur NATO für die Türkei zum gegenwärtigen Zeitpunkt einen inakzeptablen Schritt dar. Ein solcher Prozess würde das empfindliche Gleichgewicht stören und sich negativ auf die Verhandlungen zur Lösung der Zypern-Frage auswirken.
Die Republik Zypern wird von der Türkei nicht als eigenständiger Staat anerkannt, weshalb ein Beitritt der Türkei unweigerlich auf Widerspruch stoßen würde. Zudem erfüllt Zypern noch nicht alle Standards des Bündnisses. Seit 1974 ist Zypern faktisch in einen griechischen und einen türkischen Teil geteilt. Hintergrund ist eine Militärinvasion der Türkei, die durch einen Putsch und den Versuch ausgelöst wurde, die Insel an Griechenland anzugliedern. Die Türkische Republik Nordzypern (TRNC), die 1983 über 37 % der Insel ausgerufen wurde, wird lediglich von der Türkei anerkannt. Die von den Vereinten Nationen vermittelten Gespräche über die Wiedervereinigung Zyperns sind bislang ohne Ergebnis geblieben. Die letzte Verhandlungsrunde im schweizerischen Crans-Montana im Jahr 2017 blieb ohne Ergebnis.
Derzeit besteht seitens der griechischen Zyprer der Wunsch nach einer Lösung im Rahmen einer bizonalen, bikommunalen Föderation, wie sie in den UN-Resolutionen gefordert wird. Die türkischen Zyprer befürworten eine Konföderation und fordern die Anerkennung gleicher Souveränität sowie eines internationalen Status.