Zwei konkurrierende Gipfel beschäftigten sich am Dienstag mit der katastrophalen Wirtschaftslage in Deutschland. Zerbricht die Regierungskoalition noch vor der Wahl?
Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich mit Vertretern der Wirtschaft getroffen, um ein neues industriepolitisches Programm zu entwickeln. Er rief zu einer breiten Zusammenarbeit auf, wurde aber von einigen Parteien dafür kritisiert, dass Vertreter des Mittelstands und der Opposition bei dem Treffen fehlten.
Die von dem Finanzminister Christian Lindner und dem Präsident des Arbeitgeberdachverbandes BDA Rainer Dülger organisierte Gegenveranstaltung, an der auch Vertreter des Mittelstands teilnahmen, hatte zum Ziel, die eigenen wirtschaftspolitischen Vorstellungen zu diskutieren. Diese Vorstellungen sind aber innerhalb der Regierung noch nicht abgestimmt. So wurden all diese Auseinandersetzungen eher als Wahlkampf denn als echte Lösungssuche wahrgenommen.
BDA-Präsident Rainer Dulger äußerte sich kritisch und enttäuscht über die Regierungskoalition. Die Zusammenarbeit der Koalition müsse Wachstum fördern und dürfe nicht zur Investitionsbremse werden. Zudem forderte er die Regierung auf, die im Juli gestartete Wachstumsinitiative umzusetzen und der Opposition bei der Modernisierung der Sozialsysteme die Hand zu reichen.
Die offizielle Regierungsprognose geht von einem Rückgang des deutschen Bruttoinlandsprodukts in diesem Jahr aus. Das deutet darauf hin, dass das Land nicht nur unter einer vorübergehenden Konjunkturschwäche leidet, sondern vor einem tiefgreifenden Strukturwandel steht. Die Industrie fordert unter anderem niedrigere Energiekosten, weniger Steuern und Bürokratie sowie Anreize für den Umstieg auf Elektrofahrzeuge.
Insgesamt brachten die Unternehmens- und Arbeitgebervertreter ihre Unzufriedenheit und Frustration über die politische Lage zum Ausdruck und forderten von der Regierung mehr Entschlossenheit und Maßnahmen zur Ankurbelung der Wirtschaft.
Die drei deutschen Koalitionspartner haben gegensätzliche Ansichten in Fragen der Staatsfinanzierung. Der Haushalt für das kommende Jahr sieht ein Milliardendefizit vor, der Wirtschaftsminister Robert Habeck und die SPD wollen mehr finanziellen Spielraum schaffen, Lindner ist strikt dagegen. Dies hat zu Spekulationen über mögliche vorgezogene Neuwahlen geführt. Auf einer Pressekonferenz am Dienstag unterstützte Lindner die Idee des BDA-Präsidenten Dulger, dass die deutsche Regierung einen gemeinsamen Weg finden müsse.
Gleichzeitig erklärte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai in einem Interview mit der BILD-Zeitung, dass die Partei die Regierungskoalition bereits im Herbst verlassen könnte. Einen konkreten Zeitrahmen nannte er nicht, betonte jedoch, dass bis zum Herbst eine Entscheidung über die Zukunft der Koalition getroffen werden soll.
Die Wirtschaftspolitik ist nach wie vor einer der wesentlichen Streitpunkte innerhalb der Koalition. Die FDP fordert Steuererleichterungen und niedrigere Energiepreise, um die Wirtschaft zu stützen. Diese Forderungen werden jedoch von SPD und Grünen abgelehnt.
"Jede Regierung sollte sich ehrlich fragen, ob sie Teil der Instabilität ist".
FDP-Generalsekretär Bijan Djir-SaraiDer FDP-Vorsitzende ist der Meinung, dass ein möglicher Sieg von Donald Trump bei den US-Präsidentschaftswahlen die Regierungskoalition in Deutschland nicht retten kann. Er rät Deutschland, sich auf die Stärkung seiner Wirtschaft zu konzentrieren. Seiner Ansicht nach werden sich die Vereinigten Staaten zunehmend auf den Wettbewerb mit China konzentrieren, wodurch Europa gegenüber den Vereinigten Staaten an Bedeutung verliert.